Vergleich von Signal-Rausch-Verhältnissen

mit einigen NF-Beispielen

 

SSB hat sich für Sprach-DX weitgehend etabliert. FM findet man als Standard überwiegend im Mobil- und Portabelbetrieb. Digitale Übertragungssysteme für Sprache (DV = Digital Voice) werden seit einiger Zeit auch im Amateurfunk experimentell erprobt. Der für den Nutzer der Übertragungsstrecke entscheidende Unterschied zwischen den Systemen liegt in ihrem Signal-Rauschverhältnissen S/N. Besonders interessant ist da ein Vergleich bei kleinen HF-Signalen, denn das ist der Bereich, der für den DX-Amateur interessant ist.



1. Voraussetzungen

Zur Übertragung von Sprache reicht es nach empirischen Untersuchungen der CCITT aus den 1930er Jahren aus, nur das NF-Spektrum im Bereich zwischen 300 Hz und 3,4 kHz zu übertragen. Im Amateurfunk wird der Bereich bei SSB sogar auf nur noch 300 Hz bis 2,7 kHz eingeschränkt. Bereits hier sieht man, dass Funkamateure mit ganz anderen Randbedingungen arbeiten wollen, um das Signal-/Rauschverhältnis bei ausreichender Sprachverständlichkeit zu optimieren. Der NF-Frequenzbereich unterhalb von 300 Hz kann zur Datenübertragung verwendet werden. Üblich ist bei FM z.B. DCS [1] oder CTCSS [2]. Eine neue Anwendung ist das STT-System [3].

Zur Beurteilung der Übertragungsqualität wird das Signal-/Rauschverhältnis des NF-Kanals bestimmt. Die oft zu findende Angabe SINAD ist das logarithmische Verhältnis: (Signal + Rauschen + Verzerrungen) / (Rauschen + Verzerrungen) . Man verwendet bei der Messung Einton-Signale, weil das Herausfiltern des Testtons relativ einfach durch Notchfilter möglich ist. Meist kann man aber davon ausgehen, dass die Verzerrungen gegenüber dem Rauschen (N) und dem Signal (S) gering sind und deshalb vernachlässigt werden können. Man erhält dann das Verhältnis: (S + N) / N, das sich bei komplexen Sprachsignalen sehr viel leicher messen lässt und ohne Übersteuerung dem SINAD-Wert entspricht. Dieser Wert wird oft auch verkürzend als Signal-/Rauschverhältnis S/N bezeichnet.


2. Theoretische S/N-Verläufe

Nimmt man das nach der Demodulation erhaltene NF-S/N in Anhängigkeit von der HF-Eingangsspannung bei verschiedenen Modulationsarten auf, so kann man leicht die Vor- und Nachteile miteinander vergleichen und die individuell unterschiedlich optimalen Arbeitsbereiche bestimmen:

SN-Verlauf

Das Diagramm zeigt als schwarze Linie den S/N-Verlauf bei SSB über dem HF-S/N. Da das Rauschen N konstant ist, entspricht die X-Achse auch der dazu proportionalen HF-Signalstärke S. Das NF-S/N ist jedoch von der gesamten NF-Verarbeitung zwischen Sender und Empänger, einschliesslich der Modulationsart abhängig.

Bei FM (blaue Linien) erhält man durch einen größeren Modulationsindex m bei großen HF-Signalen auch einen höheren Rauschabstand des NF-Signals. Unterhalb einer gewissen HF-Schwelle, an der sich etwa auch die DV-Systemgrenze befindet, fällt dieser Vorteil gegenüber SSB weg. DV-Systeme haben durch ihre Quantisierung einen nach oben hin begrenztes NF-S/N, das dafür aber beim Überschreiten der DV-Systemgrenze konstant bleibt. Es liegt bei den bei der Sprachübertragung üblichen 8 Bit Systemen (je nach CODEC) bei etwa 40 dB. Wird die DV-Systemgrenze unterschritten, so können die durch das Rauschen auftretenden Fehler nicht mehr korrigiert werden. Ein DV-System schaltet dann den NF-Kanal stumm oder gibt nur unverständliche Soundsamples von sich. Im Diagramm zeigt sich dies durch die senkrechte rote Linie.

Unterhalb dieser DV-Systemgrenze hat SSB weiterhin das best mögliche S/N (grün hinterlegter Bereich im Bild oben). Aber auch bei FM lassen sich hier durchaus noch brauchbare Signale demodulieren. Man sieht sehr deutlich, dass der Modulationsindex dabei eine wichtige Rolle spielt. Beim üblichen Modulationsindex von m=1 hat FM immer noch ein nicht zu vernachlässigenden Systemgewinn gegenüber DV. Dieser blau schraffierte Bereich ist gerade für den Funkamateur interessant, weil hier Entfernungen überbrückt werden! Er zeigt auch, dass gut aufgebaute FM-Relais durchaus noch nicht "vom alten Eisen" sind. Ähnliche "schmerzhafte" Erfahrungen macht man übrigens auch gerade bei der Einführung des digitalen Behördenfunks.


3. Einige NF-Beispiele

Als Vergleichswert analoger Übertragungskanäle verwendet man häufig ein S/N von 12 dB und gibt die dazu erforderliche HF-Eingangsspannungan. Da das Rauschen eine statistische Größe ist, ist die Messung nicht ganz einfach. Üblicherweise mittelt man dazu den Effektivwert des Rauschsignals über eine ausreichend lange Zeit, um Schwankungen auszugleichen. Dem Funkamateur sind solche Messungen oft nicht möglich, so dass er auf Erfahrung oder einen akustischen Vergleich angewiesen ist. Hier sollen deshalb einige NF-Signale am Ausgang eines FM-, SSB- und D-Star-RX bei verschiedenenen HF-Eingangsspannungen als Beispiel angegeben werden. Beim Vergleich sind folgende Parameter bei allen drei Betriebsarten konstant:

  • Begrenzung des NF-Spektrums auf 300 Hz bis 3,4 kHz bei TX und RX
  • Höhenanhebung der NF um 6 dB / Oktave
  • Kompression der Modulation zwischen 0 und -17 dB im Verhältnis 6:1, darunter linear
  • Normierung des empfangenen Signals auf gleiche NF-Lautstärke
  • Speicherung in MP3, 64kbit/s
  • In der Tabelle grün markiert ist ein S/N von etwa 12 dB, violett markiert ist ein S/N von etwa 6 dB

Bei FM ergänzend:

  • Eigenbau 2m-FM-Doppelsuper, Vorstufe BF699, ZF-Bandbreite: B = 12 kHz
  • Aussteuerung des TX mit 5 kHz Hub in den Sprachspitzen, mittlerer Hub ca. 3 kHz

Bei SSB ergänzend:

  • Yaesu FT897 mit ZF-Bandbreite von B = 2,7 kHz, NF-Equalizer und DSP ausgeschaltet
  • Zusätzliche NF-Komprimierung der Modulation zwischen 0 und -30 dB im Verhältnis 10:1, darunter linear
  • Sprachspitzen normiert auf 0 dB, mittlere Aussteuerung etwa -3 dB darunter

Bei D-Star ergänzend:

  • TRX: iCOM ID-31E
  • Vorgehensweise wie in [5] vorgeschlagen: Aufnahme des gesendeten D-Star-Signals mit einem Breitband-RX (WAV, 44,1 kbps), FM-Modulation dieses Signals mit einem Messender.
  • Einstellung des Modulationshub unter Kontrolle des HF-Spektrums

Bei Free-DV ergänzend:

  • Coder: SM1000 mit FreeDV-1600, Sprachodierung mit CODEC2
  • Vorgehensweise wie in [5] vorgeschlagen: Aufnahme des gesendeten FreeDV-Signals mit einem Breitband-RX (WAV, 44,1 kbps), FM-Modulation dieses Signals mit einem Messender.
  • Einstellung des Modulationshubs auf minimales Blinken der Error-LED des Dekoders bei ausreichendem HF-Signal (-93 dBm)

Bei Rauschverminderungssysteme ergänzend:

  • Verwendung der Original NF-Samples für FM und SSB als Eingangssignal für Lingua und bhi
  • Normierung der Ausgangs-NF und leichte Dynamikreduktion im Verhältnis 4:1 bei Signalen unter -12dB Eingangspegel
  • Einstellung des Filter-Levels auf optimale Verständlichkeit und nicht auf minimales Rauschen (bei bhi Stellung: 6 bzw. 7)

Relatives
Signal

HF-Spannung
an 50 Ohm

FM
Beispiel

SSB
Beispiel
D-STAR
Beispiele

FreeDV-1600
(SM1000)
Beispiel

    RX-Out mit Lingua mit bhi RX-Out mit Lingua mit bhi RX-Out siehe [5] RX-Out
-93 dBm 5 µV (S9 auf UKW) Sample     Sample     Sample   Sample
-99 dBm 2,5 µV Sample     Sample          
-105 dBm 1,26 µV Sample     Sample          
-111 dBm 0,63 µV Sample     Sample          
-117 dBm 0,32 µV Sample     Sample     Sample    
-120 dBm 0,22 µV Sample     Sample         Sample
-121 dBm 0,2 µV                 Sample
-121,5 dBm 0,19 µV                 Sample
-123 dBm 0,16 µV Sample Sample Sample Sample Sample Sample Sample Sample  
-126 dBm 0,11 µV Sample Sample Sample Sample Sample Sample Sample Sample  
-127dBm 0,1 µV ---     ---     Sample    
-128 dBm 89 nV Sample Sample Sample Sample Sample Sample      
-129 dBm 80 nV Sample     Sample          
-130 dBm 71 nV Sample Sample Sample Sample Sample Sample      
-130 dBm + DNR   ---     Sample   Sample      


 

4. Ergebnisse

Der NF-Vergleich zwischen FM und SSB zeigt bis -126 dBm das deutlich bessere Signal-Rauschverhältnis der FM, das auch aus dem oben dargestellten S/N-Diagramm qualitativ hervor geht. Ein genauer Vergleich ist etwas problematisch, da die schmalere SSB-Bandbreite zu einer leichten Verfälschung führt und sich FM trotz gleichem S/N etwas besser anhört. Die FM-Beispiele enthalten einen geringen Oberwellenanteil von 50 Hz (Restbrumm), der erst bei der Aufnahme des RX-Signals hinzu gekommen ist. Bei den interessanten schwachen HF-Signalen wird dieser Anteil jedoch vom Rauschen völlig überdeckt.

Der schnelle Übergang des S/N bei FM zwischen -123 dBm und -128 dBm kennzeichnet den im Diagramm zu sehenden steileren Abfall an der sog. FM-Schwelle, die man subjektiv nach Hören der Samples etwa bei -128 dBm (gelb markiert) ansetzen kann. Hier hören sich die FM- und SSB-Samples etwa gleich verrauscht an. Die neu in die Tabelle aufgenommenen NF-Signalverbesserungssysteme Lingua und bhi zeigen gleiche Ergebnisse. Auch ihre durch die DSP hervorgerufenen Artefakte klingen gleich. Erstaunlich ist, wie viel diese Geräte doch noch aus dem Rauschen herausfiltern können. Man erkennt auch trotz unterschiedlicher NF-Bandbreite zwischen FM und SSB, dass bei Signalen unter -128 dBm das SSB-Signal gegenüber FM besser verständlich bleibt. Hier wird die FM-Schwelle also unterschritten und SSB gewinnt gegnüber FM (und DV), wie es die Theorie fordert.

Interessant sind die Ergebnisse mit dem Lautsprecher-Mikrofon-Coder SM1000 [5] von David Rowe VK5DGR und Rick Barnich KA8BMA. Dieses kleine Kästchen kann direkt mit fast jedem Transceiver verbunden werden. Es codiert und dekodiert aktuell (Stand: 09.2015) mit FreeDV-1600 und ist als digitaler SSB-Ersatz gedacht. Die Verwendung bei FM ist keinesfalls optimal, weil nicht das ganze zur Verfügung stehende NF-Spektrum von 0..4 kHz sondern nur ein schmalerer Bereich von etwa 850 Hz bis 2150 Hz genutzt wird. Das im FM modulierte FreeDV-1600 Soundfile hört sich nicht wie ein weißes Rauschen an und hat deshalb auch nicht die optimale spektrale Dichte. Man kann im Gegensatz zum D-Star Soundfile den höherpegeligen Pilotton heraus hören, der zur Synchronisation bei FreeDV-1600 benötigt wird. Im NF-Spektrum erkennt man bei etwa 1,45 kHz (links vom Center bei 1,7 kHz) zwei etwas stärkere Seitenlinien und 16 schmale Teilspektren mit um etwa 5 dB abgesenkten Amplituden:

FreeDV Envelope

Der aktuell im SM1000 verfügbare Mode FreeDV-1600 ist zur Modulation in SSB mit einer Bandbreite von 2,4 kHz erheblich besser als für FM geeignet und wird bei direkter Umsetzung des NF-Spektrums in die HF-Ebene auch noch bei geringeren HF-Pegeln zu brauchbaren Ergebnissen führen, sofern ein NF-Bandpass die NF-Bereiche unter etwa 800 Hz und oberhalb von 2,1 kHz noch vor dem FreeDV-Dekoder unterdrückt. Zu erwarten sind durchaus noch einmal 3-4 dB, so dass man als SSB-Ersatz brauchbare Ergebnisse bis unter -125 dBm erzielen wird. Analoges SSB kann hier jedoch noch deutlich besser sein. Der Bereich unter -125 dBm könnte durch einen neuen Mode (FreeDV-700B) erschlossen werden, an dem momentan noch gearbeitet wird. Er soll später auch im SM1000 verfügbar sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Silbenverständlichkeit dabei nicht auf der Strecke bleibt, man sich an die unerreichten Eigenschaften des menschlichen Gehörs bzw. des Gehirns erinnert und der digitalen Signalverarbeitung bei schlechtem S/N nicht alles opfert (mehr dazu siehe: 5. Verbesserungsmöglichkeiten bei DV).

Der akustische Vergleich der Qualität des freien CODEC2 mit der des AMBE2020-Codec von D-Star ist recht interessant. Die Qualität über einen FM-Kanal bei einem HF-Pegel von -93 dBm unterscheidet sich subjektiv nicht vom dem was man bei direkter NF-Kopplung von zwei SM1000 hört. Die bei FreeDV hörbaren Artefakte könnten zum Teil durch die im SM1000 unverständlicherweise gar nicht vorhandene Anti-Aliasing-Filterung verursacht werden. Die Software im SM1000 arbeitet aktuell mit 2-fachen Oversampling (16 kHz Abtasttakt). Man geht davon aus, dass in der NF nur vernachlässigbare Anteile > 8 kHz vorhanden sind. Messungen an mit einem Mikrofon aufgenommenen Sprachsignalen in normalen Räumen zeigen aber durchaus nicht zu vernachlässigene Anteile oberhalb von 8 kHz, z.B. bei den Zischlauten (s, z, sch, st, sk, usw), aber auch QRM von Lüftern, Scharnieren, Vogelgezwitscher usw. Man sollte bedenken, dass der OM normalerweise nicht in einer akustisch abgeschirmten Sprecherkabine sitzt! Verwendet man auch noch einen NF-Sprachkompressor vor dem SM1000 (er hat auch einen Mike-Eingang), so können höherfrequenten NF-Anteile ohne eine Aliasing-Filterung durchaus stören. Ein simples RC-Glied vor und nach der Digitalisierung könnte hier ohne viel Aufwand durchaus noch etwas bringen. Ein SMD-Filter vom Typ MAX7400 mit minimaler Beschaltung wäre zumindest vor dem NF-Eingang optimal, denn dann könnte der CPU-Zeit fressende Oversamplingbetrieb entfallen und zur besseren Sprachcodierung genutzt werden.

Beim vom SM1000 erzeugten FreeDV-1600-Modulationssignal gehen die Entwickler offenbar davon aus, dass der Modulationsverstärker im Sender schon noch die erforderliche Nachfilterung durchführt. Das ist im ersten Ansatz zwar nicht ganz falsch, kann aber trotzdem im Mikrofonverstärker des Senders zu vermeidbarer NF-Intermodulation führen, die die Dekodierung nach der Übertragung nur unnötig erschwert. Mit einem Oszilloskop lassen sich die typischen und völlig überflüssigen Treppenstufen auch im vom SM1000 decodierten NF-Signal noch deutlich erkennen. Die Vernachlässigung so simpler analoger Vor- und Nachfilter im SM1000 und das spektral bereits vom Design her nicht ganz ausgewogene Modulationsspektrum zeigen deutlich, dass hier noch Luft für weitere Optimierungen vorhanden ist. Die freie Verfügbarkeit von FreeDV als Soundkarten-Programm ist jedenfalls ebenso zu begrüßen, wie das SM1000. Auch hier kann man wohl sicher auch noch Änderungen erwarten.

Beim schon besser (aber noch nicht optimal) auf den FM-Kanal angepassten D-Star liegt die ermittelte DV-Systemgrenze beim ID-31E bei etwa -127 dBm. Hier werden im Mittel 50% der Sprachdaten noch wiedergegeben, während in den anderen 50% die NF abgeschaltet wird. Bereits 0,5 dB darunter wird auch über längere Zeit kein Sprachpaket mehr dekodiert, während FM und SSB zwar verrauscht aber noch immer verständlich bleiben. Die Angaben in [6] zeigen ein ähnliches Ergebnis. Die Farbmarkierungen entsprechen den dort in der Tabelle 2 angegebenen Werten. Das S/N der violetten Markierung ist jedoch um 1 dB besser (also 7 dB), was aber nahezu mit dem Messwert bei FM von 6 dB identisch ist. Auf dieser Grundlage war durch Vergleich mit dem S/N bei FM eine ungefähre Einstufung in die HF-Zeile möglich, denn leider sind in [5] keine zugehörigen HF-Pegel angegeben. Zusammen mit den eigenen D-Star Messungen scheint diese Methode einigermaßen genau zu sein, denn die Abweichung der so von zwei unabhängigen Quellen ermittelten DV-Schwellen liegt bei nur 1 dB.

Es muss jedoch beachtet werden, dass diese Laboruntersuchung mit der Funkpraxis nur eingeschränkt vergleichbar ist, denn in der Praxis sind die S/N-Verhältnisse i.d.R. nicht konstant. Zudem kann beim KW-Einsatz selektives Fading Teile des HF-Spektrums verfälschen oder sogar völlig auslöschen. Kleinste Störungen an der DV-Systemgrenze können dann bereits zu Totalaussetzern führen, da die Fehlerkorrektur hier bereits voll ausgeschöft wird! Im Portabel- und Mobilbetrieb kommt es daher bei D-Star bereits bei deutlich höheren Eingangssignalen bereits zu Aussetzern, weil die Rahmensynchronisation schneller als bei den konstanten Störbedingungen im Labor versagt. Man muss in der Praxis daher mit einem Verlust von einigen dB rechnen. Ein realistischer Wert für die DV-Systemgrenze des ID-31E dürfte daher zwischen -126 dBm und -125 dBm liegen!

Ein Qualitätsvergleich zwischen AMBE2020 und CODEC2 ist mit den hier aufgenommenen Sampels nicht besonders sinnvoll, weil das getestete FreeDV-1600 für einen schmaleren HF-Kanal ausgelegt ist und beide DV-Codecs dann zwangsläufig unterschiedliche Bitraten haben. Nimmt man auch die analogen Übertragungsarten hinzu, so bleibt FM bis hinab zu -128 dBm trotz des höheren NF-Rauschens das deutlich bessere Sprachübertragungssystem mit besserer Silbenverständlichkeit. Das menschliche Gehirn ist bei schlechten S/N noch immer weitaus leistungsfähiger, als alle aktuellen Echtzeit-AFu-DV-Systeme.

Anders ausgedrückt, benötigt man zum Überbrücken der gleichen Entfernung bei aktuellen DV-Systemen auf beiden Seiten etwa 3 dB mehr Sendeleistung. Es gilt auch hier die Erkenntnis, dass eine hohe Sendeleistung des DV-Relais zwar seine Hörbarkeit verbessert, nicht aber seine Empfindlichkeit erhöhen kann! Da man mit einem 5 W Handfunkgerät bereits weniger als das DV-Relais abstrahlt, muss man immer damit rechnen schlechter über das Relais zu kommen, als man es selbst hört. Die Sendeleistung von DV-Relais auf 50 Watt hoch zu setzen, ist daher eine wenig durchdachte Option, die für den Nutzer eher frustrierende Ergebnisse lieferen wird. Hier fehlen dann 10 dB auf der Strecke vom Handfunkgerät zum Relais!


5. Verbesserungsmöglichkeiten bei DV

Durch geschicktere Kanalcodierung und Soft-Decision (eine leicht verständliche Beschreibung findet man z.B. unter [4]) kann die Systemgrenze von DV-Systemen durchaus noch weiter nach links verschoben und der verbleibende FM-Gewinn bei kleinen HF-Signalen minimiert werden. Ganz verschwinden kann er aber theoretisch nie, weil DV-Systeme auf FM-Systemen aufbauen (sie quasi als Tunnel benutzen) und daher die Kanalentropie (ein Maß für alle Störgrößen im System) bei einer verzögerungsfreien Übertragung - also ohne Codespreizung über mehrere Datenrahmen - durch die zusätzliche digitale Codierung immer nur größer werden kann!

Mit einer iterativen Soft-Decision kann man noch höhere Gewinne erzielen. Solche Techniken setzen aber stationäre bzw. im Mittel konstante HF-S/N-Zustände und Code-Spreizung über mehrere Datenrahmen voraus. Sie erzielen den Gewinn daraus, dass sich Rauschen über mehrere Datenrahmen nicht einfach addiert, weil es mit sich selbst nicht korrelliert ist (keine Ähnlichkeit hat). Ein Nutzsignal mit periodischen Anteilen über mehrere Rahmen verteilt addiert sich jedoch, so dass das S/N-Verhältnis größer wird. Damit tritt aber auch eine Verzögerung auf, weil die Nutzinformation über einen zeitlich längeren Bereich quasi verschmiert wird und erst im Dekoder wieder in die zeitlich richtige Lage gebracht werden muss. Den vollen Gewinn kann man daher höchstens bei einer fest installierten Übertragungsstrecke oder im Satelellitenfunk erwarten.

Im Portabel- und Mobilbetrieb ändern sich aber die HF-S/N-Werte ständig, so dass der durch Soft-Decision zu erwartende Gewinn nur wenige dB beträgt. Doch immerhin würde das dann die praktische DV-Systemgrenze auf den hier gemessenen Laborwert von -127 dBm verschieben. D-Star Funkgeräte (Stand: Ende 2012) arbeiten noch mit Hard-Decision, so dass sie tatsächlich etwas unempfindlicher als technisch möglich sind. Dies ist nur ein Softwareproblem und somit prinzipiell auch bei älteren Geräten verbesserbar.

Sowohl D-Star, als auch FreeDV haben eine sehr steile DV-Schwelle von nur 0,5 dB, die für AFu-Zwecke gar keinen Sinn hat! Verzichtet man darauf das maximale NF-S/N von DV-Systemen an dieser Systemgrenze konstant hoch halten zu wollen, so kann man durchaus noch einmal einige dB an HF-Empfindlichkeit gewinnen. Das NF-S/N würde dann in Schritten zu 3 dB reduziert werden müssen, was für den Funkamateur - nicht aber für den kommerziellen Nutzer - im Prinzip kein allzu großer Verlust wäre. Solche adaptiven DV-Systeme gibt es momentan noch nicht, denn sie erfordern ein komplettes Redesign, können also nicht zu bestehenden DV-Systemen kompatibel gemacht werden. Würde man durch eine andere Kanalcodierung bzw. digitale Modulationsart auch noch die Empfindlichkeit gegen Mehrwegempfang minimieren, so hätte man den Vorsprung der FM tatsächlich aufgeholt. Bislang trifft das aber nicht zu.

Kommerzielle digitale Bündelfunksysteme vermeiden das Arbeiten an der DV-Systemgrenze, da hier die absolute System-Verfügbarkeit das wichtigste Designkriterium ist. Erreicht wird das, indem eine Vielzahl von miteinander vernetzten Pico-Zellen aufgebaut werden, um die Signalstärken und damit das HF-S/N mit einem relativ großen Sicherheitsabstand immer ausreichend hoch halten zu können. Das ist allerdings schon aus Kosten- und Standortgründen für den Amateurfunk ein völlig unrealistisches Szenario. Es würde auch dem grundlegenden Charakter des Amateurfunks widersprechen, mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel erreichen zu wollen.


6. Zusammenfassung

Bis hinab zu -128 dBm kann man den Nachrichteninhalt bei FM durchaus noch ohne viel Übung erkennen. Das klappt mit Aussetzern und angestrengtem Hinhören sogar bei nur noch 71 nV (-130 dBm)! Allerdings werden so schwache Signale eher bei einem UKW-Contest in SSB akzeptiert und haben da wegen der deutlich kleineren HF-Bandbreite auch noch ein besseres NF-S/N. Doch 6 dB weniger HF-Signal bedeutet auch bei FM und bei ungestörter, geradliniger Ausbreitung bereits die Überbrückung der doppelten Entfernung! Wegen der Erdkrümmung kann man diese Verdopplung jedoch sowieso nie erreichen! Doch gerade hier wird es sehr interessant. Denn auch für ein weniger angestrengtes QSO sind selbst bei FM noch Signale bis hinab zu 0,1 µV für uns Funkamateure durchaus brauchbar.

Bei einem im Mobilfunk an der unteren Systemgrenze oft auftretenden Flatterfading machen sich schwache Signale in FM weniger unangenehm bemerkbar als bei der digitalen Sprachübertragung, weil im Analogen u.a. keine Rahmensynchronisation nötig ist und auch keine Dekoder-Schwellen existieren. Yaesu schreibt zu den Features ihres C4FM-Handfunkgeräts FT2DR unter "4. Analog FM Mode": [...] Analog FM is effective for communication with a weak signal that causes voices to break up in the digital modes. The analog mode allows communication even at distances where noise and weak signals make communication almost impossible. [...]Diese Herstellerangabe ergänzt die hier vorgelegten Untersuchungsergebnisse für das neuere C4FM-Verfahren.

Das schlagartige Aussetzen der Dekodierung - wenn die Bitfehlerrate des DV-Signals zu groß geworden ist - wird aus völlig unerfindlichen Gründen als ein unumstößliches "digitales Naturgesetz" akzeptiert, obwohl das bei einem besseren Systemdesign durchaus anders realisierbar wäre! Kurz oberhalb der Systemgrenze arbeiten DV-Systeme jedoch sofort mit konstantem NF-S/N (etwa 40 dB) und sind hier besser als FM. Der Rauschabstand von FM übertrifft erst bei höheren HF-Signalen wieder das konstante S/N von DV-Systemen. Dieser Bereich ist jedoch für den Funkamateur weniger interessant.

Unterhalb der DV-Systemgrenze sind bei gleicher Bandbreite und HF-Feldstärke durchaus noch Verbindungen mit FM-Systemen möglich, wenn gleich auch mit immer schlechter werdenden S/N. Daran wird auch das beste ausgeklügelte digitale Echtzeit-System (man beachte diese wichtige Einschränkung!) nichts ändern können. Ein über Soft-Decision hinaus gehender DV-Systemgewinn lässt sich nur dann erreichen, wenn man dazu bereit ist eine gewisse Verzögerungszeit zu akzeptieren. Je höher diese Verzögerung ausfällt, um so größer wird auch der Gewinn ausfallen. Damit liessen sich sogar HF-Signale mit negativen S/N, also unterhalb des Rauschens des Echtzeitkanals zuverlässig dekodieren. Große Verzögerunszeiten über etwa 500 ms sind aber für Sprache im Portabel- und Mobilbetrieb sehr gewöhnungsbedürftig, da sie eine hohe Betriebsdisziplin erfordern. Für den quirligen Relaisbetrieb dürfte das eher kontraproduktiv sein; für Simplex-DVDX wäre das aber eine durchaus denkbare Vision.

Diese Seite wird beim Vorliegen neuer Erkenntnisse auf den neusten Stand gebracht. Stand: 20140125.

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Referenzen

Hinweis: Für externe Links keine Verantwortung über deren Inhalt!

/1/ CTCSS-Bescheibung im deutschen Wikipedia
/2/ DCS-Beschreibung MPT 1381
/3/ Subton-Telemetrie STT
/4/ Vergleich der HD- mit SD-Codierung (PDF)
/5/ The Utah VHF Society; Using conventional analog test gear to evaluate and test D-Star systems
/6/ SM1000 Lautsprecher-Mikrofon-Coder mit FreeDV David Rowe VK5DGR und Rick Barnich KA8BMA


Vergleich von Signal-Rauschverhältnissen / 20170310 / © DC7GB (E-Post)